Rezension: Was wir Frauen wollen

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Rezension von Barbara Degen —

Viele von uns Bücherwürmern sind begeisterte Leserinnen der chilenischen Schriftstellerin Isabel Allende. Mich selbst hat u.a. „Das Geisterhaus“ fasziniert und ich habe Anteil an dem Schicksal und dem Tod ihrer Tochter Paula genommen.  Mit ihrem Buch „Was wir Frauen wollen“ hat sie jetzt ihr feministisches Erbe niedergeschrieben. Feministin, so beginnt sie, sei sie bereits im Kindergarten gewesen und damit zur Außenseiterin in ihrer Familie, in vielen Situationen ihres Lebens und in der chilenischen und lateinamerikanischen Macho-(Un) Kultur geworden. Feminismus definiert sie im Gegensatz zum Patriarchat:

Das Patriarchat ist aus Stein, der Feminismus dagegen ein bewegter Ozean, mächtig tief und unendlich vielschichtig wie das Leben selbst. Er wogt, strömt, kennt keine Gezeiten und zuweilen wütende Stürme. Wie der Ozean gibt auch der Feminismus niemals Ruhe. (S. 20)

Isabel Allende blättert ihre unterschiedlichen Lebenserfahrungen mit Feminismus, Feministinnen und Patriarchat in nach Themen und eigenen Lebensereignissen geordneten, mosaiksteinartigen kurzen Kapiteln auf. Themen sind u.a. autoritäre Erziehungsstile, ihre Beziehung zu Männern und Kindern, Abtreibung, sexuelle Gewalt, Fragen der Körperpflege und Schönheit, Sexualität und der Wandel von Gefühlen und eigenen Ansichten. Ihre Beispiele machen immer wieder deutlich, dass aus Abneigung, Hass, Diffamierungen und Gewalt gegen Frauen durch die Frauen selbst Liebe, Lebensfreude und Menschlichkeit entstehen kann und entsteht. Das Buch endet 2020 mit dem Schreiben und Leben in Coronazeiten und ihrer dritten, bislang glücklichen Ehe als alter Frau. Dabei schiebt sie immer wieder Gedichte und sie beeindruckende und prägende Begegnungen mit Frauen und anderen AutorInnen in ihren Text ein. Warum Schreiben? ist dabei eine wichtige Frage, die sich durch das Buch zieht. Aus dem Schreiben – so lautet ihre Antwort –  und den eigenen Erfahrungen schöpft sie trotz allem Schmerz über weltweite Unterdrückungen und den tiefen Verletzungen der Frauen auch Hoffnung für die Zukunft:

Wenn die Corona-Pandemie vorüber ist, werden wir unseren Bau verlassen und vorsichtig eintreten in eine neue Normalität. Dann werden wir uns als Erstes auf den Straßen in den Armen liegen. Wie sehr hat uns der Kontakt zu den anderen gefehlt! Wir werden jede Begegnung feiern und uns freundlich kümmern um die Angelegenheiten des Herzens. (S. 185).

Sie preist das Alter: Während mein Körper gebrechlicher wird, verjüngt sich meine Seele. (…)

Dies ist die Ära der couragierten Großmütter, und wir sind die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Wir alten Frauen haben viel erlebt, wir haben nichts zu verlieren und sind deshalb nur schwer einzuschüchtern; wir können Klartext reden, weil wir außer Konkurrenz laufen, nicht gefallen oder beliebt sein wollen; wir kennen den unermesslichen Wert von Freundschaft und Zusammenarbeit. (S. 93)

Was ist das Gemeinsame von uns Frauen, was wollen wir? Sprechen wir vom Frieden, ist eine ihrer zentralen Aussagen, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen eine andere. Die Autorin sehnt sich nach einer humanen Flüchtlingspolitik, die die Bedürfnisse der Flüchtenden und ihre Gründe ernst nimmt:

Viele kehren nie zurück, sie werden für immer Fremde sein. Dieser Krise im Weltmaßstab, die sich bald noch verschärfen dürfte, wenn die Menschen wegen der Erderwärmung ihre Heimat verlassen, begegnet man nicht dadurch, dass man Mauern errichtet, sondern indem man hilft, die Ursachen zu bekämpfen, durch die Menschen zur Flucht gezwungen werden. (S. 138)

Isabel Allende hat ein lebendiges und kluges Altersbuch geschrieben, das ihre Lebenserfahrungen geschickt mit den allgemeinen Frauenproblemen verbindet. Ich habe dieses Buch nicht nur mit viel Zustimmung und Sympathie gelesen, sondern daraus auch neu wieder gelernt, wie zentral die Liebe, die Trauer, die Arbeit und das Handeln der Frauen aller Altersstufen für das Überleben der Menschheit ist. Für diese Aufgaben brauchen Frauen die Verbindung zueinander.

Seit Anbeginn der Zeit haben Frauen sich am Brunnen versammelt, am Herd um eine Wiege, auf dem Feld, in der Fabrik. Sie möchten ihr Leben teilen und die Geschichten der anderen hören. Nichts ist vergnüglicher als ein Gespräch unter Frauen, fast immer ist es persönlich und schafft Nähe. Auch Klatschgeschichten sind kurzweilig, warum nicht. Für uns ist es ein Albtraum, wenn wir ausgeschlossen sind und isoliert, denn allein sind wir angreifbar, gemeinsam blühen wir auf. (S. 141)

Hoffen wir gemeinsam mit Isabel Allende und ihren Büchern, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen.

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