Die „Töchter Liliths“

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Frauenbilder in “The Chronicles of Narnia”

Untersuchung von Isabel Busch

Diese kritische Untersuchung von z.T. biblischen, soll heißen, zementierten Frauenbildern in den erfolgreichen Fantasy-Romanen“The Chronicles of Narnia” von C.S. Lewis ist Teil meiner Dissertation zum Thema „Konzepte von Weiblichkeit und Männlichkeit im Fantasy-Roman des 20. und 21. Jahrhunderts“. Dort finden sich alle genannten Aussagen in detaillierterer Form mit Textbelegen.

Zwischen 1949 und 1954 schrieb der englische Schriftsteller und Oxford-Professor C.S Lewis, der mit J.R.R. Tolkien (Der kleine Hobbit, Herr der Ringe) befreundet war, seine siebenteilige Fantasy-Reihe The Chronicles of Narnia, die an Kinder gerichtet war und von denen der zweite Band, The Lion, the Witch and the Wardrobe, durch diverse Verfilmungen am bekanntesten geworden ist. Die Helden dieses Bandes sind die 4 Pevensie-Geschwister Peter, Susan, Edmund und Lucy, die während des zweiten Weltkriegs durch einen Kleiderschrank in eine andere Welt, Narnia, mit sprechenden Tieren und anderen Fantasy-Kreaturen, wie Faune, geraten. Die Bewohner Narnias nennen die Menschenkinder „Sons of Adam“ (Söhne Adams) und „Daughters of Eve“ (Töchter Evas). Ihre Aufgabe ist es, den Löwen Aslan zu finden und mit ihm die böse Hexe Jadis, auch „the White Witch“ genannt, zu besiegen; denn Jadis hat die Macht Narnias an sich gerissen und herrscht wie eine faschistische Diktatorin, die durch ihre magischen Kräfte ewigen Winter (ohne Weihnachten) über das Land gebracht hat. Die Kinder und Aslan besiegen natürlich die Hexe (respektive die beiden Jungs, denn dem Weihnachtsmann zufolge haben Mädchen/Frauen nichts auf dem Schlachtfeld verloren) und die 4 Geschwister regieren eine Zeit lang Narnia, bis sie zufällig wieder in ihrer eigenen Welt landen.

Soweit die Oberfläche. Unterschwellig geht es aber, aus Gender-Sicht, um etwas Anderes. Lewis, der die meiste Zeit seines Lebens Atheist war, bis er zum gläubigen Anglikaner wurde, konzipierte Aslan als einzig wahren „Messias/ Schöpfergott“, dessen (männliche) Autorität nicht angezweifelt werden darf. Jadis begehrt gegen diese Autorität auf, was sich schon allein daran festmachen lässt, dass sie keine „Daughter of Eve“, sondern eine „Daughter of Lilith“, der ersten Frau Adams, die gegen die patriarchalischen Regeln rebellierte, ist. Obwohl in der „realen“ Welt des 20. Jahrhunderts der Faschismus und die Diktatur von Männern ausgingen und eindeutig patriarchalisch dominiert waren, wird bei Lewis einer Frau diese Rolle zugeschrieben, um zu verdeutlichen, dass Frauen an der Macht „widernatürlich“ sind. Lewis, der wie Tolkien ein Genussmensch war, lässt Jadis zudem genussfeindlich sein, indem sie Weihnachten und mit dem dazu gehörigen Festessen verabscheut, und eine sterile, kalte Winterwelt erschafft. Dennoch spielt sie die Verführerin: Edmund, der drittjüngste der Geschwister, bekommt von ihr „Turkish Delight“, eine Süßigkeit, die auf ihn wie eine Droge wirkt und ihn dazu veranlasst, seine Geschwister (eines Judas gleich) zu verraten, bevor er durch Aslan („Messias“) Erlösung findet. Jadis hatte schon im ersten, weniger bekannten Narnia-Band, The Magician´s Nephew, gegen Aslans Gebote verstoßen und von einem verbotenen Apfel(!)baum gegessen, der ihr u.a. Unsterblichkeit brachte. Auch hier versuchte sie einen Jungen, Digory, dazu zu verführen, ebenfalls vom Baum zu essen, aber sie scheiterte und der Junge wurde für seine Aslan-Treue belohnt. Diese Tochter Liliths ist also eine eiskalte (im wahrsten Sinne des Wortes) Verführerin, die gegen Aslan rebelliert und dementsprechend vernichtet werden muss. Im fünften Band, The Silver Chair, begegnet den kindlichen Helden (Jill und Eustace) eine andere „Tochter Liliths“ und böse Hexe, „The Green Witch“ (einen richtigen Namen besitzt sie nicht; vielleicht bereits ein Hinweis darauf, dass sie einen Status als Individuum abgesprochen bekommen hat). Sie hat ebenfalls einen jungen Mann, den rechtmäßigen Prinzen Narnias, Rilian, unter ihren Einfluss gebracht, der ihr, in einer Art Dauer-Gehirnwäsche-Zustand, hörig ist, was die kindliche Heldin Jill verächtlich kommentiert: „Where I come from (…) they don´t think much of men who are bossed about by their wives“ (The Silver Chair, S. 622). Diese Hexe macht sich eines noch größeren Verbrechens schuldig; sie rebelliert nicht nur gegen Aslan, sondern sie leugnet seine Existenz. Sie ist quasi „atheistisch“ und versucht, diesen Atheismus mit ihrer Trance-Magie an die Helden weiterzugeben. Auch sie muss vernichtet werden, und zwar wird sie vom Prinzen, der wieder „zu Verstand“ gekommen ist, getötet; allerdings erst, als sie sich in eine Schlange (!) verwandelt, da ein formvollendeter Prinz es kaum für „galant“ erachtet hätte, eine Frau zu töten.

Gegen Ende der Romanreihe scheint sich aber auch eine ehemalige „Tochter Evas“ zu den „Töchtern Liliths“ zu gesellen. Susan Pevensie, die mit zu den guten Helden des zweiten und dritten Bandes gehörte, kann nie wieder nach Narnia zurückkehren, da sie aufgehört hat, daran und damit auch an Aslan zu glauben und sich sowieso nur noch für „lipsticks, nylons and invitations“ (The Last Battle,  S. 741) interessiere, so die Meinung ihrer Familie. Mit anderen Worten: sie ist erwachsen geworden und hat begonnen, ihre Sexualität zu entdecken und hat den Glauben an eine „kindlich-unschuldige“ Welt, in dem Sinne, dass die „Guten“ in dieser Welt nicht an Sexualität an sich interessiert sind, abgelegt. Es stellt sich heraus, dass die anderen Helden in „ihrer“ Welt, die unsere darstellen soll, bei einem Zugunglück umkamen und mit Aslan und allen anderen „Aslantreuen“ Bewohnern Narnias nach dessen Zerstörung in ein ewiges Paradies eingehen. Susan, die nicht im Zug saß, wird aber wohl nach ihrem Tod dieses Paradies und damit auch das Wiedersehen mit ihrer gesamten Familie, verwehrt bleiben. Da ihre Familie aber sowieso nichts mehr mit der „sexualisierten“ und „atheistischen“ Susan zu tun haben will, wird darauf nicht eingegangen. Susan, die sich ebenso wie die beiden Hexen, durch eine außergewöhnliche Schönheit auszeichnet, wird wohl von den Anderen als „Tochter Liliths“ betrachtet und kann keine Solidarität erwarten. Nicht einmal von ihrer Schwester Lucy, die tränenerfüllt Aslan darum bittet, die rebellischen Zwerge auch ins Paradies mitzunehmen. Für ihre Schwester setzt sich Lucy nicht ein; im Gegenteil, Susan ist für den Rest „gestorben“.

Dafür wird Lewis häufig kritisiert, u.a. von den renommierten Fantasy-Autoren J.K. Rowling und Philip Pullman und Neil Gaiman. Neil Gaiman beschreibt in einer Kurzgeschichte aus seiner Kurzgeschichtensammlung Fragile Things, wie es, seiner Meinung nach, mit Susan nach dem Tod ihrer Familie weitergeht, wobei sie als Erwachsene an den Traumata aus ihrer Kindheit zu leiden hat. Philip Pullman revidiert in seiner Fantasy-Trilogie His Dark Materials (1995-2000) Lewis´ Abneigung gegen Sexualisierung und „Erwachsenwerden“. Pullmans zwölfjährige Protagonistin Lyra, die eine „neue Eva“ darstellen soll, entdeckt zum Schluss ihrer Abenteuer zunächst eine altersgerechte erste zaghafte Sexualität, die aber entscheidend zur „Genesung“ der Welt(en) beiträgt. Durch sie plädiert Pullman auch für das Sammeln von Erkenntnissen/ Erfahrungen, und damit für das kritische Denken, um Autoritätshörigkeit zu vermeiden (Hannah Arendt!).

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