Jung, weiblich, wütend!

Die „Töchter Liliths“
Februar 18, 2020
K(o)rönchen
März 17, 2020
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Frauentag 2020 – Es war fast ein Zufall, dass ich am Samstag während der Frauentagsveranstaltung im Kölner Rathaus doch noch bei dem Workshop gelandet bin, der mir von Anfang an in der Nase stach. Ich fand mich pünktlich ein, um zu erfahren, was junge Frauen wütend macht. (Foto BF: Saskia, links, Maristella, Mitte, und Hanna, rechts, am Sonntag auf dem Roncalliplatz)

Die Journalistin Marlies Hesse, Stifterin des Marlies-Hesse –Nachwuchspreises, hatte Aktivistinnen von Fridays for Future und Frauen*streik Köln geladen. Die souveräne und zugewandte Art der Moderatorin schuf von Anfang eine angenehme Stimmung bei den, z.T. sehr jungen, Aktivistinnen und im altersdurchmischten Plenum. Kein Fremdeln, keine Steifheit, sondern eine lebhafte Diskussion darüber, was junge Frauen dazu treibt, den Internationalen Frauentag zum Protesttag zu erklären und den Frauen*streik auszurufen! Es zeigt sich schnell, dass der Griffel, mit dem das patriarchale System das Leben junger Frauen beeinflusst, vielleicht etwas subtiler geworden, aber noch immer sehr präsent ist. Angefangen von sexueller Belästigung über den Gender Gap bis hin zur Gleichgültigkeit in Politik und Gesellschaft, welche Welt wir mit unserem Lebensstil hinterlassen. Und es zeigt sich genauso schnell, dass v.a. auch die jungen Frauen das nicht akzeptieren. Von dem immer mal wieder beschworenen sog. Rollback, der besagt, dass Frauen sich doch wieder auf ihre patriarchal determinierten Aufgaben reduzieren, ist hier nichts zu spüren. Im Gegenteil! Die Fridays for future-Bewegung hat ihre Anliegen so platziert, dass sogar ein Markus Söder mit seinem Parteiprogramm bei den Grünen punkten könnte. Und die Frauen*streikenden nehmen es u.a. nicht länger hin, dass die Gesellschaft selbstverständlich davon ausgeht, ausgerechnet Reproduktionsarbeit sei für lau zu haben. Wohl gemerkt in einem kapitalistischen System, in dem ansonsten jeder Schritt mit einem Geldwert gegen gerechnet wird.

Muna Samstagabend auf dem Rudolfplatz bei der Mahnwache

Nach dem Workshop besuchte ich die 24-Stunden-Mahnwache von Frauen*streik Köln auf dem Rudolfplatz. Diese Frauen waren genauso entschlossen, wie wütend, Regen und Kälte zu trotzen, um ihre Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen.

Muna am Sonntag bei der Demo auf dem Roncalliplatz

Und es verlangte mir schon einigen Respekt ab, dieselben Frauen am Sonntag auf ihrem Demo-Wagen auf dem Roncaliplatz zu sehen, diesmal mit dem  Megaphon in der Hand und keine Spur müde. Wir Feministinnen können beruhigt sein, die Fackel wird weitergetragen. Und sie ist in guten Händen!

Teilnehmende auf dem Roncalliplatz äußern sich:

Maristella, 27 und Saskia, 26 (Foto oben)

Maristella: Am meisten machen mich sogenannte Geschlechterstereotype wütend, weil ich finde, dass genau sie die Ursache von vielen Problemen sind. Wenn man da ansetzen würde, dann würden Themen wie Selbstbewusstsein bei Frauen nicht mehr so negativ besetzt. Oder auch männliche Stereotype, unter denen Männer leiden, die sie unter Druck setzen, die Suizidrate steigen lassen… Also ich glaube, dass ganz viele Probleme gelöst werden können, wenn wir von Anfang an diese Stereotype auflösen. Grob stört mich am meisten das Stereotyp von starkem Mann und einfühlsamer Frau.

Saskia: Ich bin wütend, ja, und ich würde jetzt einfach anknüpfen an diese „starker Mann- schwache Frau“-Sache, weil es in der Kindheit schon anfängt, dass wir Frauen oder Mädels mit Barbies spielen sollen und Prinzessin sein und der Mann ist immer der starke Prinz oder Ritter, der retten muss. Das ist in ganz vielen Filmen so, und… Keine Ahnung… überall, Jungs, die mit Schwertern spielen müssen. Die Stereotype fangen da schon an und das müssen wir aufbrechen.

Maristella: Selbst wenn man als Mutter das nicht so sieht, ist es schwierig in der Gesellschaft, ein anderes Bild durchzusetzen, weil es ja von der Industrie so vorgegeben wird. Das ist etwas, was mich unfassbar nervt.

Hanna aus Mexiko, 27 – aus dem Englischen (Foto oben)

Ich habe viele Gründe wütend zu sein. Als erstes: ich komme aus Mexiko und das Land bringt uns um. Im vergangenen Jahr wurden 3000 Frauen getötet, nur weil sie Frauen sind. Ich bin wütend, weil ich auf der Straße nicht sicher bin. Ich bin wütend, weil ich Angst habe um meine Familie, meine Freunde und meine Mutter. Ich bin wütend, weil der Staat nichts unternimmt, um das zu ändern.

Jule, 20

Ich bin wütend, weil ich finde, dass die Gesellschaft, gerade auch die deutsche, ziemlich sexistisch ist. Und gerade Frauen nicht finden, dass sie selbst sexistisch behandelt werden, dass es irgendwie den meisten nicht mal klar ist, und dass viele, mit denen ich geredet habe, nicht wissen, dass heute Weltfrauentag ist. Das finde ich ziemlich traurig. Es macht mich wütend, dass viele Frauen sich nicht eingestehen dass es wichtig ist, sich dafür einzusetzen.

Bylle, 39

Ich bin wütend, wie es Frauen auf der ganzen Welt schlecht geht, was sich Frauen in anderen Ländern gefallen lassen müssen… Wir sind hier schon relativ weit, aber noch lange nicht am Ende und wir müssen Solidarität zeigen mit unseren Schwestern auf der ganzen Welt. Wir müssen vielmehr sein hier und viel lauter. Und wir müssen nicht sonntags streiken, sondern wenn‘s der Wirtschaft schadet.

Sonja,57

Ich bin wütend weil ich mittlerweile 30 Jahre für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern kämpfe und sehe zwar, dass wir Fortschritte gemacht haben, aber es gibt immer noch viel zu tun. Ich habe das Gefühl, ich fange jedes Mal wieder bei Adam und Eva an, das macht mich wütend. Es gibt immer noch diesen Gehaltsunterschied für Frauen und Männer […] Im TVÖD sind die Gehälter ja festgelegt, aber die Männer finden immer wieder Tricks, wie sie ihre Gehälter über Zulagen aufbessern können. Das macht mich sauer!

Lisa, 25

Ich bin schon ein bisschen wütend, weil immer noch keine Gleichberechtigung in ganz vielen Hinsichten, vor allem auch in anderen Ländern ist. Es ist auch Solidarität dass ich hier bin. Es liegt auf jedem Fall noch viel Arbeit vor uns. Mich persönlich ärgert besonders der unbewusste Sexismus im Alltag, Sätze die einfach kommen, wo keiner drüber nachdenkt, die dann ganz komisch ankommen. Klar macht mich auch wütend, dass Frauen immer noch weniger verdienen. Es gibt immer noch diese Trennung, dass es immer noch nicht gleich und egal ist, ob man Mann, Frau oder etwas anderes ist.

Ayda

Ich bin Kurdin. Und wir haben in den letzten Jahren gesehen, so starke kurdische Frauen, wie sie kämpfen können, was wir erreicht haben. Aber es reicht noch nicht. Wir haben noch keine Gleichberechtigung.

Tim, 28

Ich will mich nicht in den Vordergrund drängen, aber es reicht mit dem Patriarchat und damit, dass 50 % der Menschheit unterdrückt werden.

Dörte, 57

Ich bin nicht so besonders wütend, weil ich mir mein Leben so eingerichtet habe, dass ich respektiert werde als Frau, dass ich einen Mann habe, der das unterstützt. Ich bin heute hier wegen der Gesamtsituation der Frauen, die ist natürlich noch lange nicht zufriedenstellend. Und da geht es drum, den Mund aufzumachen.

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