Die Geschichten der Baumweltensaga legen sich nie auf einen einzigen Flecken des vielfältigen Planeten Erde fest. Die Protagonistinnen reisen und wirken around the world.
Lilith lebt als Weltenchronistin in Asgard, der obersten Welt der Weltenesche Yggdrasil. Freyja, die hermaphrodite Sportskanone aus den Nordlanden, dringt auf der Jagd nach dem Saboteur der Nerthus-Spiele, einer Art vorolympischer Sportwettkampf auf der Insel Rugia, bis in exotische Gefilde vor. Odin lebt eine Weile im Exil im Land der Glutkobolde.
Frigg begibt sich auf große Reise nach Suwarnadwipa, der Insel des Goldes, um ihren Vater zu treffen. An Ende der Geschichte findet sie sich selbst.
Patin bei der Entstehung der Baumweltensaga steht und stand ganz klar die isländische Sagensammlung Edda und ihr Zentrum ist die Weltenesche Yggdrasil.
Doch keine Geschichte kommt ohne Bezug zu einer anderen Kultur, anderen Gegenden und unterschiedlichsten Wesen aus, auf dem Planeten Erde und außerhalb davon.
Der große Schöpfergeist Uradat Besar (m/w/d) erschafft das Universum nach dem Zusammenstoß mit einem Nanopartikel. Heimdall, die kleine Sternschnuppe von der Milchstraße, bewirkt große Veränderungen auf der Erde.
Lilith zieht von Uruk nach Asgard. Freyja stellt die Geschlechterfrage nochmal unter völlig anderen Aspekten zur Diskussion. Und Frigg sucht und findet das Abenteuer auf Sumatra.
Im Spiel der Fantasie lösen sich Zeit und Raum auf.
Deswegen haben alle Protagonistinnen Eigenschaften, die ihnen ursprünglich zu eigen waren. Sie entstammen dem Kosmos, als Lilith von den Phönizierinnen als Bala’at, die Heilige Herrin, bezeichnet wurde. Als die Skalden auf Freyja, die Glücksbringende, Hymnen dichteten. Und Frigg nicht weniger als die Allumfassende Ordnung war.
Im vierten Band, der aktuell in Arbeit ist, werden sich Figuren aus der ägyptischen Mythologie dazu gesellen: Hathor, Bastet und Sachmet. Und Odin wird eine Rolle spielen. Alle kennen sich auf der ganzen Welt, schätzen und unterstützen sich, wenn nötig. Es könnte alles perfekt sein. Könnte! Wäre da nicht auch diese eine einzige unfertige Zelle, die es nach dem Unfall von Uradat Besar mit dem Nanopartikel hinaus ins Universum geschafft hatte...
Lasst uns eine Stadt der Frauen auf dem Feld der Literatur bauen, forderte Christine de Pizan im Jahr 1405. Die Baumweltensaga wächst auf dem Feld der Fantasie für Frauen und Männer gleichermaßen.
Doch wer waren die mythologischen Figuren damals? Wer sind sie heute? Und warum? Dazu halte ich im Rahmen von Lesungen ausführliche Vorträge. Im Folgenden ein kurzer Überblick zu den Protagonistinnen der Baumweltensaga:
About Lilith
Seit sich das Christentum als Weltreligion installiert hat, fungiert die erste Frau Adams als Oberschlampe. Warum? Lilith wollte Adam nicht mal den Apfel pflücken, dem Eva später ihren Ruf verdankt. Sie hat sich einfach verdrückt, wollte ihr Leben leben, einfach für sich sein. ‚Undenkbar‘ sagte Gott und schickte ihr einen Fluch hinterher, der die Frau, die seinem Lieblingsboy den Laufpass gab, jeden Tag Kinder gebären und sie gleich darauf krankmachen und/oder fressen lässt. Was für eine Geschichte! Wie würden sich Details auf der Psychocouch machen…? Wichtig aber ist vor allem die Aussage: es gab eine Lilith vor diesem Horror, der ihr Leben mit Gottes Fluch heimsuchte. Was erzählt eine solche Umdeutung über diejenigen, die dieses Narrativ verbreiten?
Ich frage mich, warum ich mich immer wieder an diesen Religionen abarbeite. Dabei habe ich als atheistisch sozialisierter Mensch mit Religion genau so viel zu tun wie eine Skiläuferin mit dem Hochsommer. Doch während meiner Beschäftigung mit dem Feminismus oder einfach vielen Dingen, die uns jeden Tag begegnen, unser Leben prägen, fassungslos machen, behindern, einfach nur ärgern oder massiv einschränken, stoße ich bei der Ursachenforschung immer wieder auf monotheistische Religionen, die sich anmaßen, Erfindungen in die Welt zu setzen. Mit der leidigen Konsequenz, dass sich solcherart geprägte Begriffe und Verhaltensweisen letztlich zu einem täglichen Dasein subsummieren.
Lilith und Eva sind solche Beispiele für an den Haaren herbeigezogenen Erzählungen. Lange her? Mag sein! Ist Weihnachten aber auch – um nur mal ganz willkürlich ein brandaktuelles Thema zu wählen. Die Frage, warum feiern wir dieses Fest, muss ich ja nicht wirklich beantworten. Aber die Frage, warum feiern wir es immer noch…? die treibt mich um. Stollen können wir auch ohne dieses ganze Brimborium haben.
Da sind wir beim Thema Verankerung. Und das passiert halt nicht nur bei Festen wie Weihnachten, also den zugegebenermaßen angenehmen Überbleibseln einer Kultur / Religion, die uns echt was eingebrockt hat, an dem wir heute noch mächtig zu knabbern haben. Und das schmeckt nicht nach Lebkuchen. Ich rede nicht nur von uns Frauen. Männer hängen da genauso am Haken, nur eben anders. Und das ist immer noch kein mainstream-Denken.
Das Wort „Selbstermächtigung“ hat mir mal ein (schwuler) Freund empört entgegengeschleudert, nachdem er meinen Lilith Vortrag bei einer Lesung hörte. Genau sagte er: „Wie können Frauen es wagen, sich in solch infamer Form selbst zu ermächtigen…“ Hä? Er war mal Mönch und hat die Phase offensichtlich nie wirklich ganz überwunden.
Seine Reaktion zeigt aber wieder in Richtung Christentum und seine sehr präsenten Folgen. Echt blöd, wenn Frauen sich nicht mehr unter Kontrolle bringen lassen.
Das Patriarchat ist kein Zustand. Es ist ein Prozess gewesen, der viele tausend Jahre dauerte. Und Frauen haben immer kräftig dagegengehalten. Lilith ist nur eine von unzähligen Beispielen, wenngleich ein sehr prominentes. Die Geschichte hinter Lilith ging in der patriarchalen Gesellschaft und ihrer Überlieferungstradition unter: sie hat aus einer starken matriarchalen Gottheit eine Dämonin gemacht und dieses Bild in unserem Kanon verankert.
Ich widme Lilith den ersten Band der Baumweltensaga als ein Splitter im Puzzle, das eine patriarchale Überlieferungskultur als das entlarvt, was sie ist: als Machterhaltungs- und Kontrollelement von 50 % der Menschheit über die anderen 50%, und damit eine Ungerechtigkeit installiert, die durch nichts zu rechtfertigen ist.
Allein Liliths Person, die im Laufe der Zeit immer dämonischer wurde, ist Grund für jede nur denkbare Selbstermächtigung von Frauen, um die Geschichte vom Kopf wieder auf die Füße zu stellen.
Es wird Zeit, die Geschichte von Lilith neu zu lesen und zu interpretieren: als ein Wesen mit allen Stärken und Schwächen, die irgendwie alle von uns kennen. Also irgendwie eine Gottheit so wie du und ich. Denn das sollte Lilith sein!
About Freyja
Freyja gilt als die hermaphrodite Gottheit im nordischen Pantheon. Ihr ist der zweite Teil der Baumweltensaga gewidmet
In dieser Figur stecken viele Erfahrungen, die ich selbst gesammelt habe, mag Freyja mythologisch sein oder nicht, die Verleugnung und Abwertung bestimmter Teile unserer Persönlichkeit kennen sicher alle Frauen. Bei mir waren es meine kämpferischen Anteile. Als ich als Kind Judo lernen wollte, wurde ich von meinem Vater abgebügelt: Du bist eh schon so ein Rabauke. Mittlerweile betreibe ich seit über 20 Jahren Kampfsport und niemanden scherts. Immerhin etwas hat sich geändert.
Freyja ist bei mir unerschrocken unterwegs. Sie will den Superpokal der Nerthus-Spiele gewinnen, eine Art vorolympischer Sportwettkampf, zu dem nicht nur Teilnehmende aus der ganzen Welt kommen, sondern auch aus extraterrestrischen Gebieten. Fantasy verpflichtet.
Aber Freyja muss sich auch dem Kampf mit einem Gegner eines ganz anderen Kalibers stellen mit anderen Konsequenzen: es geht um Leben und Tod ihres Volkes aus den Nordlanden.
Und natürlich gibt es in dem Buch viele interessante Wesen, einen Ausflug in ein Hochgebirge und unter Wasser in die Hawaiiki Welt sowie viel göttlichen Humor.
Fantasy und Humor sind das eine. Wichtig ist immer wieder, das Narrativ neu zu besetzen, Geschlechterrollen aufzuweichen und Selbstverständlichkeiten zu beschreiben, die lange Zeit als Abweichung von der Norm weiblichen Lebens dargestellt wurden, so wie Männer sich das vorstellten.
Die mythologische Figur der Freyja durchlief im Rahmen der patriarchalen Überlieferungsgeschichte denselben Werdegang wie alle Frauen: sie wurde vieler wichtiger, einstmals hoch angesehener Persönlichkeitsmerkmale beraubt, wie ihrer -Überrraschung- kämpferischen Anteile, aber auch ihrem glücksbringenden Wesen, das in alten, vorchristlichen Überlieferungssplittern immer auch im Zusammenhang mit ihrer heilvollen Zauberkunst stand. Freyjas Tiere waren die Katzen, sie fuhr mit einem Katzengespann durch die Lüfte.
Als die christlichen Schreiber am Ende der Inquisition mit ihrem Geschichtsbild fertig waren, waren im realen Leben viele Frauen tot, gefoltert und verbrannt, Katzen unheilbringende Hexentiere und Freyja, die nun verbrämte Hexengottheit, immerhin noch für Liebe und Fruchtbarkeit zuständig, wie ab dem Zeitpunkt eigentlich jede anständige Göttin. Was Mönche unter Liebe und Fruchtbarkeit verstanden, möchte ich mir an dieser Stelle nicht wirklich ausmalen.
Die hier dargestellte historische Entwicklung des patriarchalen Narrativs zur mythologischen Figur der Freyja ist nur die absolute short version. Es gibt unendlich viel mehr Details.
Doch lässt sich das Gesagte sehr gut zusammenfassen in den Worten: nichts wirklich Neues am Horizont patriarchaler Überlieferungsgeschichte. Überraschend für mich sind nur die immer noch vielfältigen Variationen und deren Verankerung in unserem täglichen Dasein.
About Frigg
Frigg ist die jüngste Gottheit im Dreierbund der Baumweltensaga. Gleich zu Anfang muss klargestellt werden, dass Freyja und Frigg zwei Personen sind. Sie werden gern als ein Wesen zusammengeworfen. Ich habe dem Bonner Skandinavisten Arnulf Krause mal die Frage nach der Abgrenzung von Freyja und Frigg gestellt. Seine Antwort fiel eindeutig aus. Freyja gehört zum (älteren) Geschlecht der Wanen und Frigg ist eine Asin. Denn nicht nur gehören sie zwei Geschlechtern an, die sich lange erbittert bekämpften, auch ihre Wesen sind so grundverschieden wie ihre Zuständigkeiten – jedenfalls vor den christlich normierten Standards für Göttinnenzuständigkeiten wie Liebe und Fruchtbarkeit. Als Randgedanken zum Begriff „Fruchtbarkeit“ möchte ich allerdings noch einwerfen: wer in einer agrarisch geprägten Gesellschaft für Fruchtbarkeit zuständig ist, kümmert sich um nichts weniger als die Kernaufgabe dieser Gesellschaft.
Unbestreitbar sind Freyja und Frigg die Führerinnen ihres Geschlechts. Freyja ist die „Führerin der ersten Matriarchinnen“ (Lexikon Barbara G. Walker Zweitausendeins, 1993) und Frigg ist in vorchristlichen Zeiten nicht weniger als die Gebieterin der Heiligen Ordnung. Ich dachte da sofort an die Aufgaben der Maat im ägyptischen Kontext, die selbst der nüchterne Brockhaus (Brockhaus 1990, Bd. 13) als Bezeichnung für die kosmische Ordnung sowie Gerechtigkeit und Wahrheit darstellt.
Für Frigg hat dasselbe Lexikon folgende Beschreibung übrig: altgerman. Göttin, Gemahlin Odins (Wodans) und Mutter von Baldur. (Bd. 7 1988) Bämm! Die höchste Gottheit der Germanen als Frau von… und Mutter von… . Einen Satz weiter wird sie gewürdigt mit den Worten: F. scheint bei allen germanischen Völkern bekannt gewesen zu sein. Ein Alleinstellungsmerkmal, das selbst Freyja nicht hat. Doch gleich im nächsten Satz wird Friggs Platz zementiert: Sie vertrat das mütterliche Prinzip und galt als Göttin der Fruchtbarkeit und Ehe.
Keine Verbindung mehr zur (kosmischen) Ordnung als dem allerhöchsten Element des Daseins. In den Merseburger Zaubersprüchen (auch eine theologische Handschrift, in althochdeutsch verfasst im 9./10.Jahrhundert) wird die Sonne, Sunna, als Friggs Schwester beschrieben. Die Sonne ist ein weiteres Grundelement und Ordnungsgestirn und Frigg wird, wie der hochangesehene ägyptische Maat (Tochter des Sonnengottes und Weltenschöpfers Re), zur Sonne in Relation gesetzt.
Als Hüterin der Ehe wird wird Frigg auch als Hüterin des Herdfeuers beschrieben. Hier findet sich, mit christlichen Überlieferungsstandards abgesegnet, immerhin ein feuriges Element, wenn auch domestiziert.
Wie es im Übrigen ein interessanter Aspekt ist, dass in altisländischen Schriftstücken, der Sagensammlung Edda, nur eine einzige Feuergottheit beschrieben wird, Loki. Keine Frau ist für das Element in seiner ungebändigten Form zuständig. Eine Vulkangottheit kennt die Edda überhaupt nicht. Und das auf Island! In alten Zeiten gab es für jede Naturerscheinung eine zuständige Kraft in Form einer Gottheit oder eines Dämons (m/w/d). Also wer hatte diese Zuständigkeit? Und warum wird sie nicht erwähnt?
Ist es weit hergeholt, den Blick zur Beantwortung dieser Frage darauf zu richten, dass das einzige Schriftstück mit den Überlieferungen der vorchristlichen Kultur Islands und Nordeuropas aus dem 12. Jahrhundert stammt, dem Zeitpunkt der Christianisierung des sog. Heidnischen Nordens. Und die (nur männlichen Autoren) waren zumeist auch noch christliche Geistliche.
Also keine Vulkangottheit. Und Frigg darf sich ums Herdfeuer kümmern… Dieses Detail bestimmte den Weg zur Gestaltung der Frigg in der Baumweltensaga. Eine Gottheit, die sich mit christlichem Einverständnis fürs Herdfeuer zuständig fühlen darf, hatte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mal andere Qualitäten im Hinblick auf das ihr zugesprochene Element Feuer. Ihre Verbindung zur Sonne als Zentralgestirn der kosmischen Ordnung ist ein weiterer Sargnagel für die Authentizität christlicher Provenienz.
Im dritten Teil der Baumweltensaga reist Frigg in Familienangelegenheiten auf den pazifischen Feuerring nach Sumatra, verliebt sich in einen Vulkan, wird von einem ruhelosen Geist bedrängt, durchquert die sieben Pforten der Unterwelt und erkennt allmählich ihre wahren Fähigkeiten. Kurzum: eine Bildungsgeschichte der etwas anderen Art.